Veröffentlicht im Europolitan des ESB Reutlingen Alumni e.V., Ausgabe 12/21

ESB-Alumna Maria Kaiser hat vor einigen Jahren für unser Länderthema Spanien von dem EU-Austauschprogramm „Erasmus für Jungunternehmer“ berichtet. Dieses bietet Existenzgründer:innen die Möglichkeit, bei einem Gastunternehmen im Ausland zu hospitieren, sich dabei international international zu vernetzen und Geschäftsbeziehungen anzubahnen. Maria hat damals als Gastunternehmerin mitgewirkt und fünf Hospitantinnen aus Spanien über einen längeren Zeitraum betreut. Inzwischen betreibt Maria ihren eigenen Online-Shop „Kaiser Selection“ mit spanischen Lebensmitteln.


Europolitan: Liebe Maria, Spanien scheint Dich nicht mehr losgelassen zu haben. Was war für Dich damals ausschlaggebend, ausgerechnet Kolleginnen aus Spanien zu coachen?

Maria: Spanisch ist meine Muttersprache, zudem habe ich Agrarwissenschaften in Hohenheim mit vielen Spanischsprechenden studiert und viele Praktika in Spanien absolviert. Seitdem bin ich Spanien eng ver- bunden. Außerdem bin ich seit Jahren als internatio-nal tätige Auditorin häufig in Spanien unterwegs.

Du bist ja Beraterin für Entwicklung, Qualitätssicherung und Marketing von Bio-Rohstoffen im Naturkosmetikbereich. Warum plötzlich spanische Lebensmittel und keine spanischen Kosmetikprodukte?

(Lacht) Ich bin auch Agraringenieurin und liebe daher hochwertige Lebensmittel! Mein Unternehmen entstand aus meinem persönlichen Wunsch nach direktem Kontakt zu spanischen Produzent:innen und zum Bezug von ausgewählten Produkten, die ein eigenes Gesicht haben – nämlich das jener Person, die sie produziert hat. Ich war müde von Biosupermärkten, weil diese große Mengen an standardisierten Produkten unter deutschen Markennamen anbieten. Einige davon stammen aus China, dem größten Importeur für Bio-Lebensmittel nach Deutschland und mein größter Konkurrent unter anderem bei den Hülsenfrüchten.

Viele Bio-Deklarationen werden nicht offen oder verwirrend dargestellt, so dass es Verbraucher:innen schwerfällt, die eigentliche Herkunft zu erkennen.

Es gibt viele Verbraucher:innen, die sich für die Produktion ihrer Lebensmittel interessieren und sichergehen wollen, dass diese unter fairen Bedingungen hergestellt und gehandelt werden.

Wie suchst Du Deine Lieferant:innen aus? Was sind die wichtigsten Kriterien?

Wir lernen uns persönlich in Spanien auf Events der Biobranche kennen. Ich besuche dann den Betrieb selbst, um ihn zu verstehen und die Produkte vor Ort zu verkosten.

Alle Lebensmittel in Deinem Online-Shop sind bio- zertifiziert, wie ich gesehen habe.

Ja, das ist das A und O! Alle Produkte, die ich vertreibe, sind bio-zertifiziert. In Spanien werden die Bio-Kontrollen von den autonomen Regionen durchgeführt. Ich selbst habe mich als Händlerin auch von Abcert bio-zertifizieren lassen, weil ich die Bio-Kette nicht unterbrechen wollte und eine 100 % extern geprüfte Bio-Sicherheit geben wollte. Das ist vielleicht auch meine „Berufskrankheit“, weil ich selbst Auditorin bin.

Allein die Zertifizierung reicht aber nicht aus, Du möchtest ja Exklusivität anbieten: Nomen ist Omen!

Das stimmt (lacht). Wir entscheiden uns für das eine oder andere Produkt, wenn der Geschmack auch wirklich Feinkost -Niveau entspricht: er sollte deutlich über dem Durchschnitt liegen. Mir macht es Spaß, Food-Scout zu spielen und nach Außergewöhnlichem zu suchen. Am Beispiel des Bio-Olivenöls lässt sich das deutlich erklären. Unser Olivenöl bieten wir in drei Geschmacksintensitäten an: mild, medium und robust.

Robust ist das Olivenöl, das Fachleute für exzellent halten und das international mehrere Preise erhalten hat. Die Früchte für dieses Olivenöl werden sehr früh geerntet und daher schmeckt das Öl phantastisch grün! Aber was nützt es, wenn manche deutsche Verbraucher:innen dieses Öl als zu bitter oder zu scharf erleben? Ich möchte ihnen nicht vorschreiben,


was ihnen zu schmecken hat. Daher haben wir das milde Olivenöl im Sortiment, ein Öl, für das die Früchte später geerntet wurden und daher reifer sind. Dieses Olivenöl ist für alle ein Genuss und eignet sich für alle Gerichte! Wenn man es kräftiger mag, dann kann man auf medium oder gar robust umsteigen. Viele meiner Kund:innen haben mehrere Sorten in ihrer Küche, sie nehmen zum Tomatensalat medium, weil die Fruchtig- keit prima eingebunden wird, und zu Auberginen die robuste Sorte, um dieses eher neutrale Gemüse zu würzen.

Welches Qualitätsmerkmal liegt Dir besonders am Herzen?

Nachhaltigkeit! Wir haben eine breite Auswahl an Hülsen- früchten wie Bohnen, Linsen und Kichererbsen. Viele dieser Sorten sind regional geschützt und werden von einheimischen Familienbetrieben angebaut, die sich für den regionalen Bio-Anbau engagieren. Ich liebe es, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die mit voller Begeisterung bei ihrer Arbeit sind und trotz vieler He-rausforderungen einen lebendigen ländlichen Raum in Europa erhalten wollen.

Wie bist Du an die Gründung herangegangen?

Ich habe bereits vor ein paar Jahren gegründet, mit dem Ziel, die Produkte auf dem Markt erst einmal zu testen. Da ich selbst einen südländischen Geschmack habe, war ich mir nicht sicher, ob meine Auswahl bei Privat- und Gewerbekund:innen ankommen würde.

Inzwischen weiß ich, welche Produkte sich größter Nachfrage erfreuen. Beim Bio-Olivenöl und dem Wein habe ich einen festen Kund:innenstamm, der immer wieder bei mir einkauft. Aber auch Spezialitäten wie das Mandelkonfekt Turrón aus echten spanischen Mandeln mit Rosmarinhonig finden ihre Fans: einmal gekostet, nehmen sie einen festen Platz auf der Ein- kaufsliste mancher deutschen Familien ein.

Was kannst Du rückblickend sagen, wenn Du an Deinen Start denkst?

Im Großen und Ganzen habe ich den Aufwand etwas unterschätzt, den die Vielfalt von 200 Artikeln mit sich bringt. Alle Produkte müssen als Artikel im Warenwirtschaftssystem erfasst, die Lieferungen organisiert, Mitarbeiter:innen eingelernt, Social Media aktiviert und die Kund:innen zufriedengestellt werden. Es fällt mir schwer, mich auf die TOP 10-Produkte zu konzentrieren, da ich immer wieder neue, interessante und geschmackvolle Leckereien entdecke. Wie soll ich da Nein sagen?

Diese breite Aufstellung hat mich aber auch über die Pandemie gerettet und es zeigt sich, dass manche Nachteile in Krisensituationen zu Vortei-len werden können. Viele Kund:innen haben während der Lockdowns viel selbst gekocht und großen Wert auf die Qualität der Lebensmittel gelegt.


Ich bin großzügig mit meiner Lernzeit und habe mir wenig zeitlich ehrgeizige Ziele gesetzt, weil ich in meiner zehnjährigen Selbstständigkeit schon zu viele dran scheitern gesehen habe. Als Mutter weiß ich, dass Babys nicht schulreif geboren werden, da gehen schon Jahre ins Land. Daher arbeite ich jeden Tag dran, dass sich mein Online-Shop zu einem Unternehmen entwickelt, bei dem Prozesse professionell ablaufen und bei dem es Spaß macht, Kund:in, Lieferant:in bzw. Mitarbeiter:in zu sein.

Was würdest Du gründungs interessierten ESBler:innen raten? Und welche Fragen soll man an sich selbst stellen, bevor man sich ins Abenteuer Selbstständigkeit stürzt? Selbstständigkeit ist relativ einfach, weil eine Einzelkämpfer:in immer relativ leicht durchkommt. Tatsächlich ist es eine größere Herausforderung, ein Unternehmen zu führen, weil meistens ein Team zu koordinieren ist und weil die Produkte exakt durchgeplante Prozesse verlangen.

Eine letzte Frage: Weißt Du, was aus Deinen Hospitantinnen geworden ist? Gloria ist meine erfolgreichste Teilnehmerin, sie betreibt jetzt neben einem Naturkosmetikladen und einem Naturfriseursalon die Distribution von Naturkosmetikmarken in Spanien, zudem ist sie Mutter von zwei kleinen Kindern. Der Impuls, in diese Richtung zu gehen, entstand durch das Erasmus-Projekt, und wir tauschen uns bis heute aus, weil wir beide in der Bio-Branche sind. http://estrelladelasnieves.es/

Und unsere traditionelle Bitte: Welche spanische Weihnachtsköstlichkeit kannst Du unseren Leser:innen ans Herz legen? In Spanien wird an Weihnachten viel gekocht, aber alles ist sehr aufwendig. Ich kann Euch zur Weihnachtszeit Turrón empfehlen, ein klassisches spanisches Mandel-konfekt. Wenn es von Bio-Manufakturen hergestellt wird, ist es ein leckerer und gesunder Nachtisch!

Liebe Maria, danke für das Gespräch!

Das Gespräch führte Natalia Sevastianova (European School of Business Reutlingen Alumni e. V.)

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